Stell dir vor, dass jemand, gegenüber dem du empfänglich eingestellt bist dir sagt: «Stell dir vor, dass dir plötzlich Flügel wachsen.» Dies wird unweigerlich eine innere Vorstellung auslösen. Je nachdem wie visuell du veranlagt bist und wie suggestibel, werden mitunter sehr lebendige und starke Eindrücke bzw. Ausdrücke in deiner Vorstellung entstehen. Viele Menschen denken, dass Imagination gleichbedeutend ist mit Einbildung, etwas, dass man sich «nur» denkt und was keine objektive Realität hat. Das ist insofern richtig, dass das Gedachte nur mir sichtbar und erlebbar ist, und auch, solange ich es nur für mich behalte. Unbestreitbar ist jedoch, dass Imaginationen eine mentale Realität sind. Realität sind sie deshalb, weil sie im Menschen Gefühle, Gedanken und Verhalten beeinflussen und auslösen können. Wir sprechen auch von mentalen Bildern, die mit Gefühlen und Gedanken aufgeladen sind. Nehmen wir zu Beispiel den Traum. An sich ist er real, auch wenn dass was er vermittelt völlig unsinnig oder fantastisch erscheinen mag. So auch die sogenannten Tagträume oder Erinnerungen, das Abschweifen in Fantasien, in denen wir Vorstellungen in uns als einen inneren Ort nutzen, zu dem wir hingehen. In vielen Coaching Methoden werden Visualisierungen genutzt, um motivationale Kräfte zu aktivieren – so schafft man zum Beispiel Versionen eines zukünftigen Selbst oder einer gewünschten Lebenssituation, auf die man sich dann im praktischen Lebensalltag hinzubewegen bemüht.
Unser Erleben und Handeln ist stark von mentalen Bildern geprägt. Diese lassen sich, wenn man sie bewusst aufnimmt, bearbeiten. Wir alle benutzen in Alltagsgesprächen Metaphern um uns mitzuteilen und Metaphern sind Bildsprache. Mal nutzen wir sie eher dahingesagt, ein anderes Mal aber sehr bewusst als einen Ausdruck davon, wie wir etwas (im Innern) sehen. Dies kann man im Gespräch aufgreifen und bewusst imaginativ ausgestalten und verstärken. Ein belastendes Bild kann durch eine gezielte Umgestaltung ein neutrales oder gar hilfreiches Bild werden. Haben wir uns z.B. bisher immer wieder beengt und unfrei gefühlt, da wir uns sinnbildlich gesprochen wie in einem Korsett befanden, können wir uns frei und entspannt fühlen, wenn es uns gelingt dieses Korsett bildlich im Innern abzulegen. Zum Bearbeiten von mentalen Bildern gehört auch die Modifikation durch Beobachterperspektiven. Diese Werkzeuge helfen uns, das innere Bildgeschehen bewusst zu steuern, also Kontrolle zu erlangen. Auch gibt es Techniken des Schrumpfens und Wandelns, welche bei sogenannten Introjekten angewandt werden, die sich als starker Innerer Kritiker oder Verfolger zeigen, und welche bewusst verbildlicht werden können – das heisst, ihnen wird eine Gestalt gegeben. Diese kann konkret aber auch sehr abstrakt sein. Wird das innere Bild dann verändert, verändert sich auch das Erleben, das dieses Bild auslöst.
In meinem therapeutischen Alltag treffe ich im Rahmen der Behandlung von PTBS auf intrusive Erinnerungen belastender Ereignisse, Flashbacks und Albträume. Diese belastenden Eindrücke haben auch auf körperlicher Ebene starke Effekte. So zeigt sich bei PTBS eine Hypervigilanz (stark erhöhte Alarmbereitschaft) die mit Anspannungszuständen einhergeht. Bedrohliche Bilder sind hier meist ein wesentlicher Faktor. Im Jahr 2014 habe ich bei Luise Reddemann die Methode der PITT (Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie) erlernt, bei der es im Rahmen von Stabilisierungsarbeit bei PTBS darum geht, hilfreiche mentale Bilder zu entwerfen, welche dann beruhigend auf die menschliche Psyche wirken können. Mentale Bilder erhalten ihre Kraft zum einen aus den Erfahrungen, die wir mit den Inhalten dieser Bilder gemacht haben. Dinge die für uns, in psychologischer Sprache, positiv besetzt sind können uns z.B. aufheitern, bestärken und beruhigen. Jene wiederum, die negativ besetzt sind, führen zu Anspannung, Stress und Angst. Zum Anderen tragen wir bereits seit Anbeginn unseres Daseins Bilder in uns, die sogenannten Archetypen (Urbilder), die laut C.G. Jung im kollektiven Unbewussten angesiedelt sind. Diese Bilder wiederum, können im Rahmen tiefenpsychologischer Therapie bedeutsam werden.
Ich arbeite seit vielen Jahren mit mentalen Bildern, nutze die Kraft der Imagination, auch unter Hinzunahme von Hypnose. Klassische mentale Bilder für psychische Stabilisierungsarbeit sind der innere sichere Ort und der innere Begleiter (ein wohlwollendes zugewandtes Wesen, welches vielgestaltiger Art sein kann). Dies sind Bilder, die man sozusagen hinzufügt. Andererseits ist es von Bedeutung bestehende innere Bilder, die belastend, angst- und stressauslösend sind zu bearbeiten. Hilfreich dabei ist zu erfassen, was Bedürfnisse sind, deren Erfüllung in dem bestehenden Bild nicht möglich ist. Bilder eines inneren Begleiters, Fürsprechers oder Anwalts kommen hier oft zum Tragen, da das Bedürfnis nach Rückhalt und Unterstützung angesprochen wird aber auch ein Szenenwechsel, ein sich Herausbegeben aus der Bildszene, die belastend ist hin zu einer, die wohltuend und sicher ist, wird oft genutzt. Sich einen inneren Wohlfühlort zu schaffen ist für viele Menschen eine sehr hilfreiche imaginative Hilfe.
Ich habe über die Jahre hinweg viele Erfahrungen in der Arbeit mit Imaginationstechniken machen können. Immer wieder haben mir Menschen rückgemeldet, wie hilfreich sie die Imaginationen bzw. die Hinleitung zu diesen empfunden haben. Auf meiner Internetseite befinden sich einige von mir gesprochene Imaginationsübungen, die besonders für Menschen in psychischen Belastungssituationen sehr hilfreich sein können. Aber auch Menschen die nicht psychisch belastet oder krank sind, können durch diese Übungen positive Effekte erfahren, da sie vitalisieren und inspirieren können. Ich lade dich ein, diese Übungen zu nutzen, dich von mir akustisch anleiten zu lassen und hilfreiche mentale Bilder zu erleben.







